Die Gundbedürfnisse von Kindern

Was Kinder für ein glückliches Leben brauchen.
Inhalt

Bedürfnisorientierte Erziehung

Die Bedürfnisorientierte Pädagogik ist heute in aller Munde. Aber was sind eigentlich die Grundbedürfnisse von Kindern? Dazu gibt es viele Ansätze, aber bis heute ist keiner so vollständig, wie der von T. Berry Brazelton und Stanley Greenspan. Beide haben die Bedürfnisorientierte Pädagogik von Beginn an maßgeblich mit geprägt. (Hier findest Du ihr Buch zum Thema*).
Du findest unten auch zu jedem Bedürfnis eine eigene, detaillierte Podcastfolge aus dem Club der Väter-Podcast.

Die sieben Grundbedürfnisse sind:

  1. Das Bedürfnis nach beständigen liebevollen Beziehungen. (Podcast)
  2. Das Bedürfnis nach körperlicher Unversehrtheit, Sicherheit und Regulation. (Podcast)
  3. Das Bedürfnis nach Erfahrungen, die auf individuelle Unterschiede zugeschnitten sind. (Podcast)
  4. Das Bedürfnis nach entwicklungsgerechten Erfahrungen. (Podcast)
  5. Das Bedürfnis nach Grenzen und Strukturen. (Podcast)
  6. Das Bedürfnis nach stabilen, unterstützenden Gemeinschaften und nach kultureller Kontinuität. (Podcast)
  7. Die Zukunft sichern. (Podcast)

1. Das Bedürfnis nach beständigen liebevollen Beziehungen.

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Wenn Kinder auf die Welt kommen, wissen sie nichts. Aber sie nehmen wahr. Und es kann entscheidend für den gesamten Verlauf des noch jungen Lebens sein, was genau Kinder in der ersten Zeit wahrnehmen. Die entscheidende Frage ist: ist diese Welt grundsätzlich gut oder schlecht? 

Die Antwort auf diese Frage liefern die Bezugspersonen, meistens Mama und Papa. Es geht hier um die Gefühle, die ein Kind in den ersten Lebensjahren empfindet. Mutter und Vater entscheiden zu Beginn des Lebens ihres Kindes, welche Gefühle beim Kind den größten Raum bekommen. Sie beantworten letztendlich die Frage des Kindes, ob die Welt gut oder schlecht ist. So bildet sich Urvertrauen (oder eben nicht).

Wenn das Kind älter ist, ein paar Monate etwa, beginnt es zu begreifen, dass es auf seine Umwelt einwirken kann. Dies lernt es zuerst durch die Reaktionen seiner Eltern. Diese reagieren auf das Verhalten des Kindes: lächelt es, lächeln sie zurück. Weint es, reagieren sie mit Nähe und Zuneigung. Dadurch lernt das Kind, dass auf einen Reiz eine Reaktion folgt. Dieses Wissen, besser gesagt: diese Erfahrungen liefern die Grundlage für (fast) alle wichtigen Entwicklungsschritte, die das Kind noch durchleben wird. Für diese Entwicklung ist direkter Blickkontakt wichtig. Eine Interaktion von Angesicht zu Angesicht. Das Spiel, das Eltern mit ihren Kindern in dieser Zeit spielen, ist bekannt: das Baby liegt auf einer Decke und schaut dem Vater direkt in die Augen, dessen Gesicht sich maximal 20 cm entfernt befindet.

Die Beantwortung der wichtigsten Frage des Kindes mit der einzig richtigen Antwort, nämlich dass die Welt gut ist, das Kind beschützt, geliebt, gewollt, ist Grundvoraussetzung für eine gesunde Entwicklung des Kindes. Diese Antwort wird im Kind gegeben, indem all seine Bedürfnisse im ersten Lebensjahr und gerne auch länger befriedigt werden. Das Kind wird getragen wenn es getragen werden will, es bekommt Nähe und Wärme, Muttermilch direkt von der Brust und natürlich: Aufmerksamkeit und Kommunikation.

Dieses Verhalten führt zu Bindung. Bindung bedeutet, dass Kind und Elternteil eine Beziehung aufbauen und pflegen. Wenn das Kind älter ist, wird es immer wieder prüfen, ob diese Beziehung Bestand hat. Es ist sehr wichtig für das Selbstvertrauen des Kindes, dass dies durch Handlung und Haltung der Eltern bestätigt wird. Ist dies der Fall, ist der Grundstein für eine positive Entwicklung gelegt.

2. Das Bedürfnis nach körperlicher Unversehrtheit, Sicherheit und Regulation

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Dieses Bedürfnis erklärt sich weitestgehend von selbst. Mit Regulation ist gemeint, dass das Kind eine gesundes Hormonsystem hat und die Möglichkeit, sich körperlich zu regulieren. Dies geschieht beispielsweise durch Schlaf, Nahrungsaufnahme und Verdauung, aber auch durch emotionale (hormonelle) Regulierung, also trösten, kuscheln etc.

Die meisten Eltern glauben, dass dieses Grundbedürfnis bei fast allen Kindern ausreichend befriedigt wird. Das ist jedoch falsch. Es geht dabei meist nicht um Gewalteinwirkung (die vorkommt, aber mittlerweile selten ist), sondern um Verhaltensweisen, die dem Kind langfristig ernsthaft schaden:

  • Übermäßige Bildschirmzeit
  • Ungesunde Ernährung
  • Zu wenig Bewegung
  • Zu wenig oder schlechter Schlaf
  • usw.

Diese Verhaltensweisen haben meist eine von zwei Ursachen: Fehlendes Wissen oder (häufiger) fehlende innere Ressourcen, um gesunde Lebensweisen umzusetzen.

In der Folge leiden mehr Kinder denn je unter Hormonstörungen, psychischen Erkrankungen, Übergewicht oder nicht altersgemäßer motorischer Entwicklung. 

Es gehört also zur Erfüllung dieses Bedürfnisses, regelmäßig mit dem Kind an die frische Luft zu gehen, sich ausgewogen zu ernähren, und die Bildschirmzeit auf ein Minimum zu reduzieren. Hier spielt auch das Bedürfnis nach Grenzen und Strukturen eine wichtige Rolle, doch dazu später.

3. Das Bedürfnis nach Erfahrungen, die auf individuelle Unterschiede zugeschnitten sind.

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Dieses Bedürfnis hängt in der Praxis eng mit dem vierten Grundbedürfnis zusammen. Und mit dieser Welt berühmten Karikatur von Hans Traxler:

Lew Wygotski Hat den Begriff der „Zone der nächsten Entwicklung“ geprägt. Es ist ein Zustand gemeint, der häufig auch kurz als „die Zone“ oder einfach „Flow“ bezeichnet wird. In dieser Zone befindet sich ein Mensch, wenn er einer Aufgabe nachgeht, die für ihn genau den richtigen Schwierigkeitsgrad hat. Außerdem ist hierbei wichtig, dass ihn die Lösung der Aufgabe interessiert beziehungsweise ihm wichtig ist. Eine Aufgabe muss also für das Kind Bedeutung haben und außerdem weder zu schwierig, noch zu leicht sein. Natürlich ist diese Aufgabe bei jedem Kind und zu jedem Zeitpunkt eine andere. Zum Glück gibt es aber eine Person, die immer in der Lage ist, die Aufgabe zu finden, die das Kind schnellstmöglich in die Zone bringt: das Kind selbst.

Hierfür braucht es zwei Dinge: einen Rahmen, der ausreichend Sicherheit und Spielmöglichkeiten bietet und die Freiheit, sich in diesem Raum frei zu bewegen und auszuprobieren.

Hier machen Eltern immer noch die meisten Fehler. Wenn ich mit meiner einjährigen Tochter auf dem Spielplatz bin, bin ich in den allermeisten Fällen der Einzige, der sein Kind erst mal einfach machen lässt. Das bedeutet auch, dass ich nicht eingreife, wenn die kleine mal wieder einem anderen Kind die Schaufel aus der Hand reißt. Soll sie doch erst mal die Erfahrung machen, wie das Kind von sich aus reagiert. Grundsätzlich gilt auf dem Spielplatz: die Eltern des Opfers sollten eingreifen, nicht die des Täters (Natürlich gibt es Ausnahmen zu diesem Grundsatz).
Ein vielleicht besseres Beispiel ist die ewige Angst: „komm da runter, halt! Vorsicht! Kletter da nicht hoch! Lass das lieber…“ Am besten aber gefallen mir die Eltern, die zu wissen glauben, was für ihr Kind gerade die richtige Tätigkeit ist: „möchtest du nicht mal rutschen? Komm wir gehen schaukeln! Schau mal, wir haben auch deine Schaufel dabei.“ Die Erfüllung dieses Bedürfnisses ist zusammen gefasst relativ einfach: schaffe einen guten Rahmen für dein Kind und dann: lass es einfach machen und sei da, wenn du gebraucht wirst.

4. Das Bedürfnis nach entwicklungsgerechten Erfahrungen.

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Hier gilt eigentlich das Gleiche wie im obigen Absatz. Nur, dass man außerdem differenzieren muss, In welchem Entwicklungsstadium sich das Kind gerade befindet. Es gibt einige Bücher zu den verschiedenen Entwicklungsstufen, die ein Kind durch läuft (das beste ist dieses hier*), aber wenn du bewusst Zeit mit deinem Kind verbringst und es beobachtest, bekommst du ganz automatisch ein Gefühl dafür. Und außerdem: wenn dein Kind die Freiheit bekommt, die es braucht, wird es auch hier von selbst die Zone der nächsten Entwicklung von selbst finden.

5. Das Bedürfnis nach Grenzen und Strukturen.

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Das Pendel ist über das Ziel hinaus geschossen. Was ich meine, ist, dass Kindern so häufig wie noch nie Grenzen und Strukturen fehlen. Warum? Weil die Eltern meiner Generation in ihrer Erziehung meist zu autoritär waren. Heute wollen wir es besser machen, wissen aber nicht, wie. Wir wissen nur: man darf Kinder bloß nicht einengen, Kinder müssen sich frei entfalten. Ich habe es ja gerade selbst geschrieben…

Aber: Eltern haben Kindern gegenüber einen Vorteil, nämlich ein paar Jahrzehnte Lebenserfahrung. Diese Erfahrung solltest du nutzen, da um deinem Kind die richtigen Grenzen zu setzen und diese richtig zu setzen. Aber wie geht das?

Zunächst zu den richtigen Grenzen: es gibt Grenzen, die erklären sich von selbst, wie beispielsweise die Anwendung von körperlicher Gewalt gegen schwächere ohne einen triftigen Grund. Und dann gibt es Grenzen, die lassen sich diskutieren, wie beispielsweise die Frage ob ein Kind aufstehen darf, wenn es mit dem Essen fertig ist, der Rest der Familie aber noch isst. Hier gilt es, dass du deinem Gefühl vertraust: wie fühlt es sich für dich an, wenn dein Kind aufsteht, oder das Gemüse nicht isst? Bist du stolz, weil das Kind seinen Willen durchsetzt und seine Freiheit einfordert? Oder fühlt es sich für dich wie Verrat an der Familie an bzw. hast du ein schlechtes Gewissen weil dein Kind das gesunde Essen nicht isst? Leider kann ich dir keine klare Antwort geben, welche Grenze sinnvoll ist und welche nicht – denn das müsst Ihr als Eltern gemeinsam entscheiden – aber ich kann mit Klarheit sagen: es ist wichtig für ein Kind, dass es Grenzen gibt und dass diese einen Sinn haben. Der Sinn ist hier deine Vision für die Familie (natürlich gemeinsam mit dem Partner oder Partnerin) und eure gemeinsamen Werte. Was ist euch wirklich wichtig? Worauf liegt ihr weniger Wert?

Das häufigste Problem, welches ich in meiner Arbeit als Coach und Berater erlebe, sind Eltern, die Angst vor dem Konflikt mit ihrem Kind haben. Die sich nicht trauen in Führung zu gehen, weil sie das Kind nicht einschränken wollen. Viele glauben sogar, sie täten dem Kind hier einen Gefallen. Das Gegenteil ist der Fall. Kinder brauchen zu Hause einen Rahmen und Regeln die Ihnen Sicherheit geben. Denn es gibt Bereiche, in denen die Kinder die Auswirkungen ihrer Handlungen nicht im geringsten abschätzen können. Hierfür haben sie ihre Eltern. Häufig hören wir, dass wir unseren Kindern auf Augenhöhe begegnen sollen. Das stimmt auch insoweit, als dass unsere Kinder natürlich den gleichen Wert als Mensch haben wie wir. Aber wie gesagt: du hast Jahrzehnte lange Lebenserfahrung die deinem Kind noch fehlen. Du kannst viel besser abschätzen, was gut ist für ein Kind und was schlecht ist. Nimm also deine Rolle als Elternteil an. Du bist erwachsen, dein Kind darf Kind sein.

Kommen wir zu der Frage wie man eine Grenze setzt. Ganz einfach: mit Liebe! Du musst, um eine Grenze zu setzen, weder laut sein noch drohen noch strafen. Es reicht, wenn du geduldig bist und stehen bleibst. Der entscheidende Punkt ist: lässt du deine Grenze einmal überschreiten, weiß dein Kind, dass es möglich ist, dass die Grenze nicht steht. Mach dir bewusst: in dieser Situation verliert dein Kind ein kleines bisschen Vertrauen in dich. Denn wenn es weiß, dass deine Grenze steht, egal was passiert, Dann weiß es auch: auf dich ist Verlass. Deswegen ist so wichtig, was ich gerade schrieb: überleg dir genau, welche Grenzen du setzt. Überleg dir, welche Grenzen Felsenfest stehen bleiben, welche Grenzen unter welchen Umständen wegfallen, und welche Grenzen du ab sofort für immer fallen lässt.

6. Das Bedürfnis nach stabilen, unterstützenden Gemeinschaften und nach kultureller Kontinuität.

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Man könnte lange über dieses Grundbedürfnis schreiben. Ich konzentriere mich hier in Kürze auf das, was für dich und deine Familie relevant ist: dein Kind braucht Kontakt zu anderen Kindern und zu anderen Erwachsenen. Je mehr, desto besser (natürlich nur, solange das erste Grundbedürfnis nach beständigen und liebevollen Beziehungen erfüllt bleibt). Hier können Bildungseinrichtungen einen großen Teil zu der Entwicklung des Kindes beitragen. Hab kein schlechtes Gewissen, wenn du dein Kind erst nachmittags von der Grundschule abholst. lass dein Kind so lange in der Kita wie möglich, d.h., so lange, wie es deinem Kind dort gut geht (hier empfiehlt sich ein Gespräch mit dem pädagogischen Team). Aus meiner Arbeit in der Kita weiß ich: einige Eltern holen ihre Kinder zu früh ab, andere zu spät, wieder andere machen es genau richtig. und das Team weiß immer, in welche dieser Kategorien du gehörst.

Zu diesem Bedürfnis zählt aber auch: vernetze dich mit anderen Vätern (zum Beispiel über unsere Telegram Gruppe) beziehungsweise Müttern (das Netz ist voll von Gruppen), triff dich mit Familien, geh deinen Nachbarn nicht aus dem Weg, knüpfe Kontakte, baue dir ein Netzwerk aus Eltern auf. Ich sehe hier übrigens eine wichtige Aufgabe des Vaters vor der Geburt: baue für deine Frau ein Netzwerk auf, von dem sie nach der Geburt profitieren kann. Was auch immer du davon hältst: Kinder brauchen die Gemeinschaft und kulturelle Kontinuität.

7. Die Zukunft sichern

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Bei diesem Bedürfnis geht es um die Zukunft unserer Kinder: wie wollen wir Schule, Kita, Familie, die Welt für die Zukunft gestalten? Ich für meinen Teil versuche etwas dazu beizutragen, dass Familien endlich eine Ordnung finden. Den wo wir früher zu eingeengt und tyrannisch waren, sind wir heute zu planlos und ohne Klarheit und Richtung. Ich helfe Familien dabei, den für sie richtigen Mittelweg zu finden.

Ich hoffe, dieser Artikel konnte einen Teil deiner Fragen beantworten. Wenn dir noch etwas fehlt oder du Kontakt aufnehmen möchtest, Mach das hier oder über mein Instagram Kanal: vatercoach_pb

Wie du möchtest wissen, wie du in deiner ganz persönlichen Familiensituation die Grundbedürfnisse umsetzen kannst? Buche jetzt hier eine kostenlose Coaching Session und erzähl mir von deiner persönlichen Geschichte.

Danke fürs Lesen und bis bald, 

Dein Philip.

*(Die Links zu Büchern und anderen Produkten sind Affiliate-Links: Nutzt Du sie, bekomme ich eine kleine Provision, du zahlst dadurch aber natürlich nicht mehr. Danke für deine Unterstützung!)

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Der Autor
Picture of Philip Bandholtz
Philip Bandholtz ist Vatercoach, Podcaster, Youtuber und Blogger. Lerne mehr darüber, was meine Themen sind, wie ich dir helfen kann und buche einen kostenlosen Termin für eine Erstberatung: